Mehr UnabhängigkeitEU schafft neutrale Marktplätze für Daten

Forschung und Industrie sind zum Teilen von Daten auf Zwischenhändler angewiesen. Ein neues Gesetz schwächt die Abhängigkeit von großen Plattformen wie Amazon.

Marktplatz
Marktplätze gibt es nicht nur für Gemüse, sondern auch für Daten (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Jordan Madrid

Konzerne wie Amazon betreiben sie bereits – Datenpools, in denen Firmen und Organisationen ihre wertvollen Datensätze für andere zur Nutzung anbieten können. Eine EU-Gesetz soll nun erstmals regeln, wie solche sogenannten Datenintermediäre funktionieren sollen. Verhandler:innen von Rat, Parlament und EU-Kommission einigten sich am Mittwochabend auf einen Gesetzestext. Dieser sei ein „Meilenstein, der die datengetriebene Wirtschaft in Europa für die kommenden Jahre ankurbeln wird“, heißt es in einer Pressemitteilung des Rates der EU-Staaten.

Datenintermediäre wie Amazons AWS Data Exchange bieten ihren Kund:innen bereits heute an, große Datensätze zu hosten und für Dritte zur Verfügung zu stellen. Etwa könnten wertvolle Daten aus der Gesundheitsforschung dort gegen Entgelt angeboten werden, um für andere Forschungsgruppen rasch und unkompliziert nutzbar zu werden. Angeboten werden können dabei persönliche Daten wie auch nicht-persönliche Datensätze, etwa Industriedaten. Für Erstere gilt jedoch weiterhin die Datenschutzgrundverordnung.

Ein Kernpunkt der Data-Governance-Verordnung sei, dass großen Konzernen verboten werde, ihre Datenpools mit anderen Angeboten zu verknüpfen und dadurch Lock-in-Effekte zu schaffen, sagt der deutsche Abgeordnete Damian Boeselager von der Kleinpartei Volt, der das Gesetz für die Fraktion der Grünen im EU-Parlament mitverhandelt hat. „Wir haben dabei definiert, dass man, wenn man eine Datenbörse betreibt, seine Dienste unabhängig von anderen Services anbietet.“

Plattformen sollen Daten nicht für eigene Zwecke auswerten

Daniel Boeselager
Der EU-Abgeordnete Boeselager - Alle Rechte vorbehalten European Union 2021 - Source : EP

Datenintermediäre werden durch das Gesetz verpflichtet, ein neutraler Marktplatz für Daten zu sein. Diese dürften durch die Intermediäre nicht für eigene Zwecke ausgewertet werden, erklärt Boeselager. Die Bestimmungen des Gesetzes seien so formuliert worden, dass parallel keine unregulierten anderen Datenmarktplätze geschaffen werden konnten. Auch schafft die Verordnung einen Dateninnovationsrat, der sich um Leitlinien kümmern soll, die die Interoperabilität und Portabilität der Daten sicherstellen sollen – also dafür, dass Daten leicht von einem Datenintermediären zum nächsten bewegt werden können.

Auch für den öffentlichen Sektor soll es Neuerungen geben. Die neue Verordnung ergänzt Bestimmungen der 2019 beschlossenen Open-Data-Richtlinie: Sie soll mehr Rechtssicherheit für Behörden und öffentliche Körperschaften schaffen, um auch sensible Daten nutzbar zu machen. Dabei sei im Gesetzestext auf Druck des Parlaments erreicht worden, dass exklusive Verträge zur Datennutzung zwischen Behörden und Firmen auf maximal ein Jahr beschränkt werden, um fairen Wettbewerb zu garantieren, sagt der Abgeordnete Boeselager.

Kritik an vagen Definitionen bei Datenspenden

Nicht nur für die kommerzielle Datennutzung schafft das Gesetz neue Regeln, auch Datenspenden sollen darin geregelt werden – sogenannter Datenaltruismus. Organisationen könnten für gemeinnützige Zwecke Daten sammeln, dafür müssten sie allerdings in entsprechende Register der Mitgliedsstaaten aufgenommen werden und bestimmten Regeln folgen.

Daran gibt es allerdings Kritik von Verbraucherschützer:innen. Der Gesetzestext schaffe eine schwache Definition, die es Firmen erlaube, „vage altruistische Gründe dazu zu nutzen, um Konsument:innen zum Teilen ihrer Daten zu bewegen“, sagte Jelena Malinina vom Europäischen Verbraucherverband BEUC. Wie hart die Formulierungen im Gesetz ausfallen, lässt sich allerdings noch schwer beurteilen, denn zunächst lag der Text, auf den sich die Verhandler:innen geeinigt hatten, noch nicht öffentlich vor.

Die Verordnung soll nun nochmal in einer endgültigen Abstimmung grünes Licht aus Rat und Parlament erhalten. Gelten sollen die neuen Regeln dann 15 Monate nach ihrem Inkrafttreten, also voraussichtlich im Jahr 2023. Ergänzt werden soll die Verordnung in den kommenden Monaten durch ein weiteres Gesetz, den Data Act, der offene Fragen bei der Verwendung und Nutzung von Daten klären soll.

3 Ergänzungen

  1. >>einigten sich am Mittwochabend auf einen Gesetzestext. Dieser sei ein „Meilenstein, der die datengetriebene Wirtschaft in Europa für die kommenden Jahre ankurbeln wird“, <>Ein Kernpunkt der Data-Governance-Verordnung sei, dass großen Konzernen verboten werde, ihre Datenpools mit anderen Angeboten zu verknüpfen<<

    Ja und? Wenn die es doch machen?
    Ohne Daten kein ankurbeln!
    Was haben die EUler denn da nicht verstanden?
    Das ist doch irre!

  2. Vorschlag für Einleitungssatz, um das Verständnis zu verbessern:

    „verringert die Abhängigkeit“ anstelle von „schwächt die Abhängigkeit“

    1. Ja. Das „schwächt“ ist so negativ konnotiert, dass für mich „Abhängigkeit“ als etwas positives erscheint.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.